Oulipo/Raymond Queneau/Georges Pérec***Ludwig Harig/Eugen Helmlé


Oulipisten - das sind „Ratten, die ein Labyrinth konstruieren müssen, das zu verlassen sie sich vorgenommen haben”, so Raymond Queneau. Das Oulipo (Ouvroir de littérature potentielle / Werkstatt für potentielle Literatur) ist eine Vereinigung vor allem französischer Autoren um Queneau, die 1960 gegründet wurde. Durch formale Zwänge („contraintes”) wollen sie die Möglichkeiten der Sprache erweitern. Neben vielen bekannten französischen Autoren wie Georges Perec oder Jacques Roubaud sind auch Italo Calvino oder Oskar Pastior Mitglieder des Oulipo (die Mitgliedschaft endet nicht mit dem Tod, sondern das Fehlen der Verstorbenen wird dauerhaft entschuldigt).
Queneau hatte bereits 1947 mit den Exercices de style (Stilübungen) ein Werk vorgelegt, das nach dem Prinzip des Zwangs verfuhr. Auch seine Romane unterliegen normalerweise einem mathematischen Prinzip, das die Abfolge der Kapitel oder bestimmter Handlungselemente vorgibt. Den kompositorischen Zwang auf die Spitze getrieben hat dann Georges Perec mit dem 1969 erschienenen Roman La disparition (wörtlich: Das Verschwinden). Perec verzichtet im gesamten Text auf den Buchstaben e.
Solche und ähnliche Verfahren stellen eine besonders große Herausforderung für die Übersetzer dar. Die deutschen Übersetzer von Queneau und Perec, Eugen Helmlé und Ludwig Harig, haben diese Aufgabe nicht nur so souverän gelöst, sondern selbst Werke nach den Prinzipien des Oulipo verfasst (z.B. Helmlés Knall und Fall in Lyon, 1995, das ohne e und r auskommt).