Louis Aragon (1897-1982)***Walter Benjamin (1892-1940)

Über seine Lektüre des in Louis Aragons surrealistischer Phase entstandenen Paysan de Paris hat Walter Benjamin notiert: „...Aragon - der Paysan de Paris, von dem ich des Abends im Bett nie mehr als zwei bis drei Seiten lesen konnte, weil mein Herzklopfen dann so stark wurde, daß ich das Buch aus der Hand legen mußte.” So wie in Aragons Paysan (1926) die Pariser Stadtlandschaft zur Gedächtnislandschaft wird, so liest Benjamin in der Einbahnstraße (1928) die Stadtoberfläche von Berlin als Palimpsest, als sich überlagernde Inschriften im Stadtbild, denen er einen verborgenen Sinn abzulesen versucht. Beiden Texten liegt die Erfahrung zugrunde, die Baudelaire schon um 1860 anhand der Bauarbeiten um den Louvre in Paris formuliert hatte, nämlich die, dass das Herz eines Sterblichen sich langsamer wandelt als die Stadt, und dass nur der literarische Text festhalten kann, was im Stadtbild andauernd vom Verschwinden bedroht ist. Gleichzeitig bieten die Reibungen, die sich durch die sich überlagernden Schichten von Architektur und Straßen- und Hausbeschriftungen ergeben, ständigen Anlass für unerwartete Einsichten.